Stefan Pölt: Der Dichter und sein Banker

Der Dichter und sein Banker

© Stefan Pölt

Ein reicher Banker hat den Frauen
zwar was zu bieten, doch durchschauen
sie bei der ersten Unterhaltung
die seelische Gefühlserkaltung.

Der Dichter ist zwar weitaus ärmer,
doch wird es jeder Frau gleich wärmer,
zitiert er ihr aus seinen Stücken –
dann liegt sie fast schon auf dem Rücken.

Soweit die Theorie, hingegen
sind meist die Dichter unterlegen.
Noch während sie an Versen schmieden,
hat sie sich für die Bank entschieden.

***

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Stefan Pölt: Zwangsläufig

Zwangsläufig

© Stefan Pölt

Durch Täler schlängelt sich ein Fluss,
nicht, weil er will, nein, weil er muss.
Denn harter Stein und Fels zuhauf
verbauen ihm den freien Lauf.
Gequält mäandert er durchs Land
und wünscht sich feinen Wüstensand.

Am Ufer wandert einer still,
nicht, weil er muss, nein, weil er will.
Er folgt den Kurven und bestaunt
die Uferlandschaft gut gelaunt.
So führt’s zu Freude und Verdruss,
wenn einer kann, der andre muss.

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Stefan Pölt: Lobeshymne

Lobeshymne

© Stefan Pölt

So vieles wurde schon bedichtet,
in Versen strophenlang geehrt,
nur ihr, die treu den Dienst verrichtet,
blieb diese Huldigung verwehrt.

Das muss sich ändern: Abfalltonne,
wie klaglos schluckst du jeden Dreck!
Ob einzeln oder in Kolonne,
du meckerst nie und steckst was weg.

Die Menschheit würde längst vermüllen
in ihrem Unrat und Gestank,
wärst du nicht da, um dich zu füllen –
ganz ohne Ehre, Lob und Dank!

Nur einen gibt’s, der ungebrochen
dich ständig in den Himmel hebt.
Du wirst in allen graden Wochen
vom Müllmann hoch-hoch-hoch-gelebt.

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Stefan Pölt: Leseprobe aus dem Knigge (schwarze Ausgabe)

Leseprobe aus dem Knigge (schwarze Ausgabe)

© Stefan Pölt

In einer Dame Gegenwart
geziemt sich’s nicht zu töten.
Wird dann die Leiche noch verscharrt,
beginnt sie zu erröten.

Und ebenso gehört sich’s nicht,
persönlich zu versterben,
auch dann beginnt sich ihr Gesicht
mitunter leicht zu färben.

Stattdessen zeugt von Feingefühl,
die Dame zu ermorden.
Als Folge ist noch jede kühl
erbleicht statt rot geworden.

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Stefan Pölt: An die große Glocke gehängt

An die große Glocke gehängt

© Stefan Pölt

Schrieb Herr Schiller einst die Glocke,
ein Gedicht aus einem Guss,
denkt der Schüler heut: Ich hocke
hier vor diesem alten Stuss.

Der Versuch der Analyse
eines Werks aus grauer Zeit
ist ganz klassisch für die Füße
und dem Untergang geweiht.

Welchen Stil und welche Mittel
setzte hier der Autor ein?
Stil veraltet! Und drei Drittel
von dem Inhalt sind zum Schrei’n!

Viel zu lang und schwer zu fassen,
so des Schülers Randvermerk.
Wehe, wenn sie losgelassen
auf ein altes Meisterwerk!

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Alfons Pillach: Lateinisches

Lateinisches

© Alfons Pillach

Sie ging mit ihrem lieben Franz
am Wochenende gern zum Tanz;
und wie sie dort das Tanzbein schwang,
weil die Musik so feurig klang.

Sie tanzte fetzig, fast schon manisch,
und nur lateinamerikanisch,
obwohl sie in Latein ’ne glatte
Sechs in ihrem Zeugnis hatte.

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Alfons Pillach: Von einer Geige und einem Klavier

Von einer Geige und einem Klavier

© Alfons Pillach

Die Geige sprach zu dem Klavier:
„Dein Körperbau ist keine Zier!
Sieh her, wie bin ich doch grazil
und ebenso mein Saitenspiel!
Wie bin ich elegant und schlank
und habe Formen, Gott sein Dank!“
Piano schmunzelte und tönte:
„Wenn ich wie du der Schönheit frönte,
dann ginge ich, bevor ich sterbe,
zu einem Schönheitswettbewerbe!“
Doch dazu war die Geige,
trotz ihrer Formen, viel zu feige.

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Alfons Pillach: Danke

Danke

© Alfons Pillach

Danke, Schicksal, dass ich sehe,
danke für der Augen Licht,
wenn auf Wegen, die ich gehe,
Schönheit mir ins Auge sticht.

Danke, Schicksal, dass ich höre,
welcher Zauber Lieder sind,
danke für die Vogelchöre
und die Melodie im Wind.

Danke, Schicksal, für die Düfte,
die der Lenz im Mai versprüht,
wenn im Hauch der Frühlingslüfte
überall es neu erblüht.

Danke, Schicksal, dass ich fühle,
wie in mir die Sehnsucht lebt,
wenn im Ansturm der Gefühle
in der Brust mein Herz erbebt.

Danke, Schicksal, für die Sterne,
ihrer Lichter große Zahl,
für das Mondlicht in der Ferne,
für der Sonne warmen Strahl.

Danke, Schicksal, für das Leben,
seine Vielfalt, seine Pracht,
die von dir dem Mensch gegeben,
danke auch für Tag und Nacht.

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Alfons Pillach: Ende eines Teddybären

Teddybär

Teddybär

Ende eines Teddybären

© Alfons Pillach

Es war einmal und ist nicht mehr
ein ausgestopfter Teddybär.
Der Teddybär war schon zerschlissen,
da hat klein Nina ihn zerrissen.
Sie kochte aus dem Rest ´ne Suppe
für ihre neue Schmusepuppe.

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Alfons Pillach: Homo Sapiens?

Homo Sapiens?

© Alfons Pillach

Homo sapiens als Rasse
ist eine spezielle Klasse.
„Sapiens“ heißt „klug und weise“,
doch der Mensch hat eine Meise;
aber leider nicht nur eine,
jeder von uns hat so seine.
Wir sind klug und doch so dumm,
schauen wir uns nur mal um,
welchen Schwachsinn wir so machen,
welches Unheil wir entfachen.
Einmal sagte Albert Einstein
– ein Genie darf unverblümt sein –,
dass, da war er Pessimist,
unendlich unsre Dummheit ist.
Mein Resümee: Nach Einsteins Schluss
sind wir der Homo stupidus.

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Alfons Pillach: Beim Roulette

Denare, 3. Jh. n. Chr., Saarlandmuseum Saarbrücken, Alte Sammlung

Denare, 3. Jh. n. Chr., Saarlandmuseum Saarbrücken, Alte Sammlung

Beim Roulette

© Alfons Pillach

Am Roulettetisch stehen Zocker,
manche ernst und manche locker.
Man erwartet sich vom Glück
wenigstens ein kleines Stück.
Hat man anfangs gleich gewonnen,
ist die Skepsis schnell zerronnen;
und dann wirkt das Glückshormon,
und dann zockt man mit Passion.
Doch das kurze Rendezvous
mit dem Glück endet im Nu.
Und die kleine Kugel rollt
beim Roulette, und mancher grollt,
wenn das Glück an diesem Tag
ihn nur unzureichend mag,
denn das Glück ist wie ein Swinger,
der nicht lange treu sein kann.
Glück zeigt gern den Stinkefinger
und umarmt dich dann und wann.

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Ulrich Bock: Erziehen ist Zielen

Saarbrücker Graffiti am Silo am Osthafen

Saarbrücker Graffiti am Silo am Osthafen

Erziehen ist Zielen

© Ulrich Bock

Ein Kind erziehen heißt, sich mühen!
Wer es zur rechten Zeit versäumt,
bemerkt, wie stark ein Baum sich bäumt,
wo noch ein Bäumchen wunderbar
und angenehm zu biegen war.

Ganz ohne Strenge wird es enge.
Vielleicht ist, auf das Beste zielen,
viel mehr als Zuwendung zu fühlen?
Ein guter Weg wird spät erst klar!
Das leichte Spiel bleibt dabei rar.

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Ulrich Bock: Der dürre Baum

Im Saarbrücker Stadtwald

Im Saarbrücker Stadtwald

Der dürre Baum

© Ulrich Bock

In einem Eichenhain,
wo stolz in graden Reih’n
steh’n Bäume fest und rund.
Sie wuchsen dort im Glück
in jedem Jahr ein Stück,
so makellos gesund.

Auf kargem Platz am Rand,
sich auch ein Baum befand,
doch lang und dürr und schmächtig;
war nicht, trotz aller Müh’n
wie seine Schwestern grün
und wurde niemals prächtig.

Der dürre Baum, nicht schön und doch,
steht am dem Platze immer noch.
Dort trotzt er Wind und Wetter.
Die stolzen Eichen alle sind
gefällt, zersägt und zwar geschwind.
Für sie gab’s keinen Retter.

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Gedichte, Ulrich Bock, Baum

Ulrich Bock: Intelligente Dummheit

Taschenrechner

Taschenrechner

Intelligente Dummheit

© Ulrich Bock

Intelligenz nimmt ständig zu,
das merken nicht nur ich und du!
Wer die moderne Technik sieht,
erkennt, wie schlau der Mensch sich müht!

Es macht die schwere Arbeit leicht
und hat dabei schon viel erreicht.
Besonders gilt es für das Denken,
hier kann die Technik Hilfe schenken.

Wo früher half ein Rechenschieber,
ist der Computer heute lieber.
Erinnert er uns an Termine,
bestimmt den Kurs für Straße, Schiene.

Er schreibt gar manchen Satz uns vor,
bis sich der eigne Geist verlor.
Die Technik sitzt uns im Genick,
das finden viele Menschen chic.

Das selber Rechnen oder Zählen,
die Fähigkeiten werden fehlen.
Wenn dann einmal der Strom ausfällt,
verschwindet vielleicht diese Welt?

Intelligenz macht Menschen dumm,
wer sieht dabei noch das Warum?
Die Technik nimmt uns die Beschwerden,
wobei wir klug unwissend werden!

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Reinhard Sichert: Löwenzahn

Pusteblume Löwenzahn

Pusteblume Löwenzahn

Löwenzahn

© Reinhard Sichert

Auf Wiesen und am Wegesrain
Blühst du in herrlich gelber Pracht.
Dein großer Name, stolz und fein,
Hat mich auf diesen Reim gebracht:

Im Volksmund heißt du LÖWENZAHN
Schau ich mir die Benennung an
Dann wund’re ich mich sehr:
Wo kommt der Name her?
Mal sehn, ob ich dies deuten kann.

Obwohl der Löwenmähne gleich
Kann’s nicht die gelbe Blüte sein.
Für einen Zahn wär’ sie zu weich
Dir diesen Namen zu verleihn.

Betracht ich deine Blätter dann
Und schau mir deren Ränder an
Weiß ich, worum es geht
Wofür dein Name steht:
Sie ähneln eines Löwen Zahn!

Bereits im alten Römerreich
Wardst Taraxacum du genannt.
Drum schau ich, sehr gespannt zugleich,
Auf die Bedeutung, die ich fand:

Als Augenmilch bis Hahnenspeck
(Auch Sonnenwurzel klingt gar keck
Genau wie Butterstecker.
Selbst Eierkraut ist lecker)
Und Butterblume gehst du weg.

Und im verblühten Zustand dann
Nennt jeder Pusteblume dich.
Denn pustet dich ein Lüftchen an
Erheben kleine Schirme sich.

Du bist wahrhaftig eine Pracht
Die ihrem Namen Ehre macht
Als wahre Zauberpflanze.
Betrachte ich das Ganze,
Seh’ ich ein gutes Werk vollbracht.

Doch bleibt ein bitt’rer Beigeschmack
Denn schon die Römer ha’m geklaut.
„Tarakshakum“ heißt Bitterkraut
Weiß jeder, der Arabisch mag.

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Reinhard Sichert: Natur

Frühling Moos Regentropfen Frühlingserwachen

Frühlingserwachen

Natur

© Reinhard Sichert

„Welch Zauberkraft birgt die Natur!“
Sag voller Ehrfurcht ich und Staunen
Denn ihrer Wirkung tiefe Spur
Sind wahre Wunder, irre Launen.

Natur prägt hier in unsern Breiten
Wo Vielfalt noch ihr Credo ist
Das Jahr mit seinen Jahreszeiten
Die andernorts man oft vermisst.

Wann immer neu ein Jahr beginnt
Durchlebt sie ihre Winterzeit
Mit Zauberwerken, welche sind
Des einen Freud, des andern Leid.

Wenn Pulverschnee vom Himmel fällt
Und sanft bedeckt Haus, Flur und Baum
Verwandelt sich die Winterwelt
In einen weißen Kindheitstraum.

Sobald durch Eiseskälte dann
Das Leben ringsum jäh erstarrt
Was keiner recht ertragen kann
Die Laune der Natur uns narrt.

Dann keimt in uns der tiefe Wunsch
Nach Wärme, Licht und frischem Grün
Doch vorerst ist’s manch heißer Punsch
Der unser Innres lässt erglühn.

Das lange Warten hat ein End
Wenn erstes Grün den Schnee durchbricht
Denn dann klopft an der Lenz behend
Und Sonnenstrahlen spenden Licht.

Der Frühling, zweite Jahreszeit
Verzaubert alles um uns her
Und die Natur ist nun bereit
Zu ihres Lebens Wiederkehr.

Als großer Magier von Format
Fällt ihr schon bald viel Neues ein
Denn wenn des Jahres Mitte naht
Muss laut Kalender Sommer sein. 

Die Tage sind unendlich lang
Und Urlaubsspaß ist angesagt
Doch manchem wird gar angst und bang
Wenn sommerliche Hitze plagt.

„Des einen Freud, des andern Leid“
Ist stets der Leitspruch der Natur
Sie handelt frei von Eitelkeit
Zu unser aller Nutzen nur.

An Bäumen und auf Flur und Feld
Wird jetzt die nächste Ernte reif
Von fleiß’ger Hand im Lenz bestellt
Voll Freude ich ein Liedchen pfeif.

Die Tage werden kürzer bald
Und wenn die Sonne sich versteckt
Weit hinter herbstlich-buntem Wald
Hat die Natur sich neu entdeckt

Mit Regen, Blitz und Donnerhall
Doch auch Altweibersommerflair
So zaubern Wind und Blätterfall
Des Herbstes bunte Farben her.

Dies ist der Rhythmus der Magie
Die ewig die Natur uns schenkt
Doch sag ich Euch, vergesst es nie
Dass einer die Geschicke lenkt.

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Reinhard Sichert: Unerfüllter Frühlingstraum

Langsam taut das Eis

Langsam taut das Eis

Unerfüllter Frühlingstraum

© Reinhard Sichert

O, welch ein wunderschöner Tag
Wird sicherlich manch einer sagen
Der unlängst froh und mit Behagen
Gedanklich in der Sonne lag.

Auch wenn die warmen Sonnenstrahlen
So taten als sei Frühling schon
War’n wir doch weit entfernt davon
Uns auf des Lenzes Grün zu aalen.

Noch hat der Winter uns im Griff
Und kann für Überraschung sorgen
Wie schnell sieht man am nächsten Morgen
Dass nachts ein kalter Nordwind pfiff.

Nun ist es draußen wieder kalt
Obwohl man sich nach Wärme sehnt
Da uns solch Sonnentag verwöhnt
Und sagt, der Frühling kommt gar bald.

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Gedichte, Frühling, Frühlingstraum, Reinhard Sichert, Winter

Alfons Pillach: Deiner Blicke Blitze

Regenperlen Regentropfen

Regenperlen

Deiner Blicke Blitze

© Alfons Pillach

Diese Zeilen sind geschrieben,
weil an dich Gedanken blieben,
die ich nicht vergessen kann.
Ich seh’ deiner Blicke Blitze
noch im Geist und spür’ die Hitze,
die du listig in mir schürtest,
als mein Herz du mir verführtest,
weil es sich zu spät besann.

Mir ist jetzt, als ob ich träume:
Seh’ im Winter grüne Bäume,
möchte mich bei Sturm und Regen
draußen auf die Wiese legen,
jeden Regentropfen fangen
und ihn dir als Perle langen.
Bin so glücklich und verliebt,
weil’s dich gibt.

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Ulrich Bock: Spiegel

Alexej von Jawlensky: Schwarze Haare in gelbem Hintergrund Saarlandmuseum Moderne Galerie Saarbrücken

Alexej von Jawlensky: Schwarze Haare in gelbem Hintergrund

Spiegel

© Ulrich Bock

Wenn wir in den Spiegel schauen,
eigner Schönheit zu vertrauen,
sehen wir meist nur den Rahmen.
Kamen nicht aus Zweifel Fragen,
denn das Bild ist zu beklagen,
wenn die eignen Kräfte lahmen?

Zeigt der Rahmen, der aus Gold,
statt ein Leuchten, wie gewollt,
nur des Wesens tiefe Täler?
Fehler, die nicht abzustellen,
werden munter weiter quellen!
Sind wir Schicksals freie Wähler?

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Ulrich Bock: Schachteln

Weihnachtsdeko

Weihnachtsdeko

Schachteln

© Ulrich Bock

Den Menschen wird die Welt zu klein,
denn jedes Fleckchen wird bereist.
Drauf stellt sich nie Erfüllung ein.
Anspruch wächst schneller als der Geist.

Doch selber leben sie in Schachteln
und fühlen sich darin geborgen.
Der Inhalt bleibt zu sieben Achteln,
vielleicht sogar noch etwas mehr,
ganz ungenutzt und darum leer.
Nur darum macht sich keiner Sorgen!

Je größer man die Schachtel wählt,
so größer auch die Achtung zählt.
Der Anschein hat allein Gewicht,
denn einen Inhalt sieht man nicht.

Mag sein, dass hierbei all die Großen
die Kleinen, die man kaum bemerkt,
sehr gerne aus dem Wege stoßen.
Da sich die Kleinen selten wehren,
ist es sehr leicht, sie zu entleeren,
was dann die großen Schachteln stärkt.

Ob klein, ob groß, sie haben meist
den Platz, wo sie gestapelt sind.
Die Kleinen unten und ganz dreist
die Großen oben und doch blind.

So leer, wie diese Schachteln alle,
so auch verhält sich’s mit der Zeit.
Sie wird wohl fast in jedem Falle
genutzt zum Messen und zum Reisen,
um sich selbst etwas zu beweisen
und zu erfinden manches Leid.

Ne Streichholzschachtel will ich werden!
Klein, voll mit Hölzern, die gut zünden,
will mich nicht groß und stark gebärden,
doch sehr viel Licht und Hitze finden.

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Alfons Pillach: Geringschätzung eines Lobredners

Holzgeschnitztes Holzschnitzerei

Holzgeschnitztes

Geringschätzung eines Lobredners

© Alfons Pillach

Sein Blick schweift übers Publikum,
ob denn auch alle schweigen,
und ist die Menge endlich stumm,
kann er Rhetorik zeigen.

Dann legt er los im Überschwang,
um hemmungslos zu loben,
er liebt der eignen Worte Klang
auf dem Podeste oben.

Er bringt ein Sprüchlein auf Latein,
von Goethe zwei Zitate,
das wirkt gebildet und sehr fein,
er liebt Verbalfassade.

Er spürt, wie der Rhetorik Fluss
die Zuhörer besticht,
er rezitiert vor Redeschluss
auch noch ein Lobgedicht.

An dieser Stelle zwingt Applaus
ihn kurz zum Innehalten,
und irgendwer sagt freiheraus,
er soll die Klappe halten.

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Alfons Pillach: Mondes Meinung

Mond

Mond

Mondes Meinung

© Alfons Pillach

Der Mond zieht einsam und ganz leise
um unsre Erde seine Kreise.
Er bleibt auf sicherer Distanz
zur Erde, weil die Ignoranz
der Erdenbürger ihm missfällt.
Er hat das kürzlich klargestellt,
als er sich deutlich mal beklagte
und nächtens mir durchs Fenster sagte:

„Ihr Menschen seid ein Sündenfall
im riesengroßen weiten All.
Was ihr mit eurer Erde macht,
ist oft so finster wie die Nacht.
Da bleib ich lieber ganz allein
als nackter Mond aus Urgestein
und schau’ herab aus der Distanz
auf euch und euren Firlefanz.“

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Ulrich Bock: Erstickt

Vogelfotos Graureiher im Flug

Graureiher

Erstickt

© Ulrich Bock

Ein Knabe baut ’nen Dom aus Sand.
ihn hat der Regen fortgespült.
Als er die Steine dafür fand,
hat er die Ewigkeit gespürt.
Der Vater, der darauf geschaut,
erklärt, du hast nicht recht gebaut.

Der Knabe, der ein Lied sich sang,
aus eignen Träumen selbst erdacht,
sich damit über Grenzen schwang.
Ihn hat der Vater nur belacht.
Die Melodie ist nicht gelungen,
der Text nicht ganz korrekt gesungen.

Auch dieser Knabe wurde groß!
Den Schaffensdrang lang aberzogen,
hat er die Pläne auf dem Schoß,
die alle ihm nicht recht gewogen.

Wenn man ihn einst gelassen hätte,
ganz sicher wäre mehr entstanden.
Nun ist er Glied in einer Kette.
Der freie Geist kam ihm abhanden.

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Ulrich Bock: Ostara

Osterei, Bemalung Marianne Schaefer

Osterei, Bemalung Marianne Schaefer

Ostara

© Ulrich Bock

Wenn Ostara den Lenz uns bringt,
tauscht Sonne schnell mit Regen.
Da Sturm in kahlen Bäumen singt,
will letzter Schnee sich legen.

Viel Macht steckt schon im Sonnenlicht,
an dem der Winter klagend bricht –
muss sich geschlagen geben.
Der Frühling macht im Herzen frei.
Symbolkraft trägt für uns das Ei,
zeigt wieder neues Leben.

Sprießt frisches Grün, beginnt das Blühen,
Eichhörnchen spielend jagen.
Die Wandervögel nordwärts ziehen.
Früher beginnt’s zu tagen.

Ist erst der Winter überwunden,
füllt Freude diese jungen Stunden,
mag auch der Wind kalt wehen.
Ex oriente lux – gilt nun!
Die Welt hat noch sehr viel zu tun,
zum wieder Auferstehen.

Wie einst hinfort gerollt der Stein
am frühen Ostermorgen,
soll Glaube, Liebe in uns sein
und Hoffnung ohne Sorgen.

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Ulrich Bock: Wellen

Am Sulzbach

Am Sulzbach

Wellen

© Ulrich Bock

Es gilt, dem Auf und Ab der Wellen
des Stromes, der das Leben heißt,
sich täglich immer neu zu stellen,
auch wenn er manches Band zerreist.

Wie Nussschalen die Boote schaukeln
im Fluss, der immer abwärts führt,
den Weg als reichen Fortschritt gaukeln,
der sich im Ozean verliert.

Was ist das Ziel der großen Reise?
Nicht Himmel oder Hölle! Doch
sind sie ganz unbemerkt und leise
getrieben in das schwarze Loch?

Darinnen türmen sich die Träume,
wie Bäume, die an Wünschen reich.
Im Hier, wo jeder meist versäume,
was einzig gilt – dem Sande gleich.

So mag auch ich am Ufer brechen,
als Welle, die im Sand verlischt?
Oder vertrau ich dem Versprechen,
die Karten werden neu gemischt?

Zerbrechlich sind doch nur die Schalen.
Das Lebenslied klingt ewig weiter.
Egal wie auch die Würfel fallen,
ich singe hoffnungsvoll und heiter.

***

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Ulrich Bock: Schreiben

Schnee-Heide

Schnee-Heide

Schreiben

© Ulrich Bock

Es kommt zuweilen eine Zeit,
da macht die Dunkelheit sich breit.
Es herrscht die Kälte, Flocken treiben,
sie wehen alle Wege zu.
Da wär’ Gelegenheit zum Schreiben,
doch jeder sagt, lass mich in Ruh!

Dann steigt die Sonne wieder höher,
die Wege öffnen sich geschwind.
Voll Eifer sucht ein jeder Späher,
wo wieder neue Chancen sind.
Nun steht die Schaffenskraft bereit,
doch ist zum Schreiben keine Zeit.

***

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Ulrich Bock: Der Kreis von Werden und Vergehen

Emergenz - Libelle beim Schlupf

Emergenz – Libelle beim Schlupf

Der Kreis von Werden und Vergehen

© Ulrich Bock

Die Welt ist gut, die Welt ist schön,
als schlecht ist nur der Mensch zu sehn.
Es halten sich all die Verrohten
nie an den Takt, nie an die Noten.

Der große Geist muss drum zuweilen
seine Natur recht drastisch heilen.
Da Beben, Fluten und auch Viren
die Menschen nicht zu Einsicht führen,

muss er die Bösen wie die Braven,
verringern, um sie zu bestrafen.
Hat er den Hochmut erst zerschlagen,
dann stellen sich die Menschen Fragen:

Was, wer, wann, wie und auch warum!
Warum sind grad die Klugen dumm?
Ihr Wissen dient nur dem Verletzen
und muss Kulturen drum zersetzen.

Im Niedergang wird der Mensch leise.
Vielleicht macht ihn die Not dann weise?
Erkennt er erst, wenn er devot
der Gier und Macht dient, kommt die Not?

Dann mag er sich etwas beschränken,
sein Handeln kurz zum Guten lenken.
Sobald nur etwas Gutes wächst,
wird gleich der Mensch erneut verhext.

Sieht er den Zauber einer Zier,
erwacht die alte eitle Gier.
Sie macht ihn dumm, sie macht ihn blind,
weil so die Menschen nun mal sind.

Geschichte liefert den Beweis,
Aufstieg und Fall sind nur ein Kreis!

***

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Gedichte, Ulrich Bock, Mensch

Reinhard Sichert: Vom Wandel der Rose

Weiße Rose

Rose

Vom Wandel der Rose

© Reinhard Sichert

Die Liebe, die uns zwei verbindet
War anfangs zart wie eine Rose
Die aus der Knospe engem Schoße
Den Weg ans helle Licht schnell findet

Sobald die Knospe aufgebrochen
Entfaltet sich die Blütenpracht
Verführt durch ihrer Schönheit Macht
Hat man erst ihren Duft gerochen

Gehn Duft und Schönheit auch dahin
Je länger unsre Rose blüht
Kühlt sich das Feuer, das noch glüht
Und wandelt den betörten Sinn

Wenn ungestüme Lust und Freude
Am Anfang der Beziehung stehn
So zeigt der Rosenpracht Vergehn
Den Zustand unsrer Liebe heute.

Auch wenn die Rose nun vergangen
Sticht weiterhin ihr scharfer Dorn
Wir beide blicken stets nach vorn
Denn in uns glüht noch das Verlangen.

***

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Reinhard Sichert: Abendstimmung

Sonnenuntergang, Abendrot

Sonnenuntergang, Abendrot

Abendstimmung

© Reinhard Sichert

Langsam geht der Tag zur Neige
Läutet still den Abend ein.
Durch die winterkahlen Zweige
Dringt ein Lichtstrahl noch herein

In die wohlig-warme Stube,
Wenn das Fenster nicht verhüllt,
Fällt bis in die Herzensgrube,
Wo er deine Sehnsucht stillt:

Nach Entspannung, Rast und Ruhe
Inn’rem Frieden, Müßiggang.
Tagesstress und enge Schuhe
Machen dich auf Dauer krank.

Denn es ist die Abendstille
Wonach alles in dir schreit.
Leg sie ab, die Tages-Brille,
Sei zur Einkehr nun bereit!

Spüre, wie die Lebenssäfte
Dich durchströmen ohne Hast;
Wie des Körpers schwache Kräfte
Sich erneuern durch die Rast.

So erwacht in deiner Seele
Abendstimmung, die dich heilt,
Dass dich keine Last mehr quäle,
Nur noch Friede in dir weilt.

***

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